Sonntag, 22. Juni 2014

Denguefieber bedroht Fussballfans – Gentech-Moskitos sollen helfen

Die von Tigermücken übertragene Krankheit hat Brasilien fest im Griff – und wird auch die ausländischen Fussballfans befallen. Eine britische Firma möchte das Problem mit Gentech-Insekten lösen.
Die Gentech-Moskitos sind ungefährlich für Mensch und Umwelt, so lautete Anfang April der Befund der nationalen Bio­sicherheitskommission CTN Bio. Padyn Parry, CEO der britischen Herstellerfirma Oxitec, ist «delighted». Jetzt fehlt ihm nur noch die Zustimmung des Gesundheitsministeriums. Dann darf seine Firma die gentechnisch veränderten Insekten in ganz Brasilien kommerziell freisetzen.
Gentech-Kritiker sind besorgt. Doch die Oxitec-Moskitos haben tatsächlich das Potenzial, das in Brasilien verbreitete Denguefieber künftig stark einzudämmen. Das Land hat die höchsten ­Erkrankungsraten weltweit. Im vergangenen Jahr waren 1,4 Millionen Menschen infiziert, rund 600 Todesfälle wurden gemeldet. Auch von den ausländischen Fussballfans, die zurzeit im Land sind, dürften nicht wenige das potenziell tödliche Denguevirus als unerwünschtes Souvenir nach Hause bringen.
Seit Jahrzehnten versuchen Forscher, eine Impfung oder Therapie gegen die Virenkrankheit zu entwickeln. Gelungen ist es ihnen noch nicht. Nun soll es mit neuen Ideen dem wichtigsten Überträger der Krankheit an den Kragen gehen: der ägyptischen Tigermücke (Aedes aegypti). Bei der Methode von Oxitec kommen ausschliesslich genveränderte Männchen zum Einsatz. Sie stechen im Gegensatz zu den Weibchen nicht. Die Gene der Männchen sind so verändert, dass nach der Paarung mit Weibchen die Nachkommen sterben.
Der Ansatz von Oxitec ist weit fortgeschritten. Nach Tests auf den Cayman-­Inseln und in Malaysia sind die Gentech-Mücken seit 2011 in gross angelegten Freilandexperimenten im brasilianischen Gliedstaat Bahia im Einsatz. In einem Versuch sankt die Zahl der freilebenden Tigermücken um 96 Prozent.

Gentechfreie Alternative
Für Oxitec drängt allerdings die Zeit. Die Konkurrenz, die mit gentechfreien Methoden arbeitet, ist ebenfalls weit. «Wir hoffen, dass wir ab August mit unseren Freisetzungsversuchen starten können», sagt Rafael Freitas. Der Forscher von der renommierten Fundação Oswaldo Cruz (Fiocruz) in Rio de Janeiro präsentierte dort unlängst sein Projekt vor Journalisten. In vier verschiedenen Quartieren der Stadt will das Forschungsinstitut Tigermücken aussetzen, die mit dem Bakterium Wolbachia infiziert worden sind. Die Methode haben australische Forscher vor einigen Jahren entwickelt. Nach ersten Freisetzungsversuchen soll sie nun auf städtischem Gebiet getestet werden.
Wolbachia ist in der Insektenwelt weit verbreitet. Rund 70 Prozent aller Arten sind Träger dieser Bakterien. Die ägyptische Tigermücke gehört jedoch nicht dazu. «In Versuchen zeigte sich, dass die Bakterien das Wachstum des Dengue-Virus in diesen Moskitos blockiert», sagt Freitas. Die Forscher versuchen nun, die freilebenden Tigermücken-Populationen mit Wolbachia zu ­infizieren, um die Ansteckung mit Denguefieber zu bekämpfen. Dabei profitieren sie davon, dass Weibchen Wolbachia-Bakterien an die Folgegeneration weitergeben. In ersten Freilandexperimenten zeigte sich: Je nach Wolbachia-Stamm gelingt es, bis zu 100 Prozent der Mücken innerhalb von 15 Wochen damit zu infizieren.
«Solange es keine Impfung gibt, ist es am besten, die Moskitos zu kontrollieren», sagt Freitas. Mit der herkömmlichen Mückenbekämpfung stosse man jedoch an Grenzen. Die Beseitigung von Pfützen oder anderen Wasseransammlungen, in denen Larven sich entwickeln können, und auch der Einsatz von Insektiziden reichten heute nicht mehr aus.
Doch werden die Risiken insbesondere durch die Freisetzung von genmanipulierten Mücken nicht unterschätzt? Werden dereinst mutierte Killerinsekten Brasilien bevölkern? Ernst Wimmer von der Universität Göttingen sieht keine ­Anhaltspunkte, die solche diffuse Ängste rechtfertigen würden. «Es sind bei dieser Technik praktisch keine Risiken vorstellbar», sagt der Entwicklungsbiologe, der selbst an der Bekämpfung von Schad­insekten mit genetisch veränderten Tieren arbeitet. Einzig Allergien seien nicht auszuschliessen. «Doch die negativen Auswirkungen werden in jedem Fall ­geringer sein als die von Insektiziden.»

Altbekannte Technik
Ökologisch gesehen ist eine radikale Bekämpfung von Tigermücken in Brasilien ebenfalls kein Problem. Im Gegenteil, denn der Mensch hat die Insekten aus Afrika auf den amerikanischen Kontinent eingeschleppt. Dennoch steht auch Wimmer den Gentech-Mücken nicht kritiklos gegenüber: «Bei den Mücken von Oxitec sterben nicht 100 Prozent der Nachkommen. Die werden dann früher oder später zur Ausbildung von resistenten Stämmen beitragen», sagt der Biologe. Um solche Probleme zu verhindern, hätte Oxitec deshalb besser zwei unabhängige Sterilitätsmechanismen in die Gene einfügen sollen.
Der Einsatz von sterilisierten Insekten ist altbekannt. Erste Freisetzungsversuche gehen auf die 30er-Jahre zurück. Bei dieser sogenannten sterilen Insektentechnik (SIT) werden die Tiere mittels radioaktiver Bestrahlung so verändert, dass ihre Nachkommen sterben. «Je nach Insektenart und Region funktioniert diese Bekämpfung gut», sagt Wimmer. Auf Sansibar sei es auf diese Weise gelungen, die Tsetsefliege auszurotten. Der Überträger der Schlafkrankheit beim Menschen machte auch die Tierhaltung fast unmöglich. «Dank der Elimination konnte die Insel ihr Ernährungsproblem lösen.»
Eine solche Ausrottung von krankheitsübertragenden Insekten gelingt in der Regel jedoch nicht. Um die Insektenpopulation niedrig zu halten, müssen deshalb im Wochenrhythmus sterilisierten Insekten fortwährend ausgesetzt werden, was teuer ist. Das ist einer der Gründe, wieso Guy Reeves vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie im deutschen Plön den Wolbachia-Ansatz bevorzugt: «Sind die Tigermücken einmal mit Bakterien infiziert, bleibt es wahrscheinlich über lange Zeit dabei, was das Ganze viel günstiger macht», sagt er.
Reeves stört, dass es sich bei Oxitec um ein kommerzielles Unternehmen handelt, das möglichst schnell ans Ziel kommen wolle und dabei zu wenig transparent sei. «Dadurch droht die Akzeptanz für die potenziell nützliche Technologie verloren zu gehen», sagt Reeves. «Nur eine ausreichend informierte Öffentlichkeit wird solchen Tests aufgeschlossen gegenüber stehen.»
 (Quelle Basler Zeitung)

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