Dienstag, 28. Mai 2019

Ursachen der Wilderei von Elefanten

Studie zeigt Zusammenhang illegaler Jagd in Afrika mit Armut, Korruption und Nachfrage nach Elfenbein
Elefanten sind essenziell für die Savannen- und Waldökosysteme und spielen eine wichtige Rolle für den Ökotourismus in Afrika – jedoch hat die Wilderei in den vergangenen Jahrzehnten zu einem raschen Rückgang der Elefantenpopulationen beigetragen. Ein internationales Forscherteam präsentiert nun eine positivere Bilanz: Severin Hauenstein und Prof. Dr. Carsten Dormann von der Abteilung für Biometrie und Umweltsystemanalyse der Universität Freiburg zeigen zusammen mit Dr. Colin Beale von der Universität York/England sowie Dr. Mrigesh Kshatriya and Dr. Julian Blanc von dem Elefanten-Monitoring-Programm MIKE in Kenia/Afrika mit statistischen Verfahren auf, dass die Intensität der Wilderei auf Afrikanische Elefanten seit 2011 verhältnismäßig stark gesunken ist. In einer Studie, die sie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Nature Communications“ veröffentlichen, stellen die Forschenden die illegale Jagd auf Elefanten in Zusammenhang mit lokaler Armut, regionaler Korruption sowie der globalen Nachfrage nach Elfenbein.

Während fast alle Elefantenpopulationen nach dem Jahr 2000 drastische Rückgänge verzeichneten, sind einige Populationen mittlerweile seit ein paar Jahren stabil oder nehmen wieder zu, wie zum Beispiel die Tiere im Krüger-Nationalpark in Südafrika. Die Analyse der Forschenden zeigt, dass die Zahl der Elefanten, die durch Wilderei sterben, von einem geschätzten Höchstwert von mehr als zehn Prozent der Afrikanischen Elefantenpopulation im Jahr 2011 auf weniger als vier Prozent im Jahr 2017 gesunken ist. „Diese Entwicklung ist positiv zu bewerten, bedeutet aber noch keine Entwarnung“, erklärt Hauenstein. „Nach einigen Veränderungen im politischen Umfeld scheint die Gesamtzahl der illegal getöteten Elefanten in Afrika zu sinken, aber um mögliche Schutzmaßnahmen zu bewerten, müssen wir die lokalen und globalen Prozesse verstehen, die die illegale Jagd auf Elefanten antreiben.“ 

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass im regionalen Vergleich vor allem Korruption und Armut in der lokalen Bevölkerung die Wilderei begünstigen. Die Wissenschaftler heben hervor, dass die Bemühungen, die Nachfrage von Elfenbein auf asiatischen Märkten einzudämmen sowie regionale Korruption und Armut zu reduzieren, im Kampf gegen Wilderei erfolgreicher sein könnten als lediglich die Strafverfolgung zu verstärken: die erfassten jährlichen Raten der Wilderei korrelieren stark mit Angaben zur Elfenbeinnachfrage in Ostasien und insbesondere in China, dem traditionellen Markt für Elfenbein. Zudem unterscheiden sich die Quoten der illegalen Tötungen zwischen den 29 afrikanischen Ländern stark. Diese seien vor allem vom Grad der Korruption und Armut in dem jeweiligen Land abhängig. 

Im Schutzprogramm „Monitoring the Illegal Killing of Elephants“ (MIKE), das die Europäische Union mitfinanziert, erfassen Wildtierhüterinnen und Wildtierhüter jährlich in 53 überwachten Stellen in 29 afrikanischen Ländern die sterblichen Überreste von Elefanten und untersuchen sie auf die Todesursache. Zwischen 2002 und 2017 haben sie 18.007 Kadaver registriert, von denen 8.860 als illegale Tötungen identifiziert wurden. MIKE wurde durch das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten frei lebenden Tieren und Pflanzen (CITES) gegründet, um die weltweit 181 Vertragsparteien bei Entscheidungen zum Handel mit Elefantenprodukten zu beraten. Zudem soll das Programm den Schutz und das Management von Elefanten in den betreffenden Staaten unterstützen.
Nicolas Scherger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit     Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Bildunterschrift: Siehe Text. Foto: Colin Beale/Universität York
Foto: Colin Beale/Universität York 

Montag, 27. Mai 2019

E-Zigaretten nicht verharmlosen. Dampfen in der Schwangerschaft gefährdet das Kind

Zum Weltnichtrauchertag 2019 am 31. Mai 2019 fordern die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und die Deutsche Lungenstiftung (DLS), Kinder und Schwangere besser vor den schädlichen Einflüssen von Tabakrauch und E-Zigarettenaerosol zu schützen. Neben einem umfassenden Werbeverbot und dem Verbot im Auto zu rauchen oder zu dampfen fordert sie auch, werdende Eltern über die Gefahren der E-Zigarette aufzuklären. Aktuelle Erhebungen legen nämlich nahe, dass Schwangere die Risiken des Dampfens unterschätzen und fälschlicherweise davon ausgehen, dass E-Zigaretten bei der Entwöhnung von Tabakzigaretten helfen.
Laut Schätzungen des Robert Koch-Instituts raucht jede zehnte Frau in Deutschland während der Schwangerschaft Zigaretten (1). Damit stören sie die Entwicklung des Kindes im Mutterleib und erhöhen sein Risiko für diverse Erkrankungen im späteren Leben. „Da die E-Zigarette als Hilfsmittel zu sanften Ausstieg aus der Tabakabhängigkeit beworben wird, müssen wir annehmen, dass Schwangere, die das Rauchen aus eigener Kraft nicht aufgeben können, E-Zigaretten als Alternative nutzen, sagt Professor Dr. med. Robert Loddenkemper als Vertreter der DGP. Diese Vermutung wird von einer amerikanischen Langzeitstudie bestätigt, an der über 3.000 Frauen teilnahmen, die währenddessen Mütter wurden (2). Sieben Prozent von ihnen gaben an, während der Schwanger-schaft E-Zigaretten geraucht zu haben. Die Hälfte von ihnen nannte als Begründung, dass E-Zigaretten weniger schädlich für das Kind seien und zudem bei der Tabakentwöhnung helfen würden. Jede vierte Schwangere wusste nicht, dass ihre E-Zigarette den Suchtstoff Nikotin enthielt.

Lungenexperten halten diese Ergebnisse für besorgniserregend, wenngleich für Deutschland noch keine Zahlen erhoben wurden. „Die Studie zeigt, dass die Vermarktungsstrategie der Industrie auf-geht, die die schädlichen Effekte von E-Zigaretten verharmlost“, sagt Professor Dr. med. Stefan Andreas, der die Deutsche Lungenstiftung vertritt. Zwar sind die gesundheitlichen Langzeitfolgen der E-Zigarette nicht so gut untersucht wie die des Tabakkonsums. Als belegt gilt aber, dass Nikotin die embryonale Entwicklung stört: Zu den Folgen zählen Früh- oder Totgeburten, ein niedriges Geburtsgewicht und ein erhöhtes Asthmarisiko (3). Auch in nikotinfreien E-Zigaretten fanden Forscher Substanzen, die akute Entzündungen im Lungengewebe hervorrufen können (4). Um werdende Mütter und ungeborene Kinder zu schützen, fordert die DGP deshalb eine bessere Aufklärung und Angebote, um rauchende Schwangere bei der Tabakentwöhnung zu unterstützen. „Der überwiegende Anteil der unabhängigen Studien konnten nicht zeigen, dass E-Zigaretten beim Rauchstopp helfen“, ergänzt Andreas. „Vielmehr wird deutlich, dass mit dem Umstieg auf E-Zigaretten eine neue Sucht geschaffen wird.“

Zum Schutz von Schwangeren und Kindern fordern DGP und DLS auch ein Rauchverbot in geschlossenen Räumen und Autos. Schon das Rauchen einer Zigarette oder E-Zigarette führt zu einer hohen Konzentration verschiedener Schadstoffe wie Feinstäube, Nikotin, Propylenglykol und Ace-ton, die bei Kindern chronische Erkrankungen der Atemwege verursachen können (5). „Nicht zuletzt müssen Kinder auch durch ein umfangreiches Werbeverbot für Tabak und E-Zigaretten geschützt werden“, betont Loddenkemper. Untersuchungen ergaben, dass jeder zehnte Jugendliche über Anzeigen auf dem sozialen Netzwerk Facebook dazu gebracht wurde, E-Zigaretten auszuprobieren (6). Mit zahlreichen süßlichen Aromen sind sie vor allem für diese Zielgruppe besonders ansprechend. Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergab, dass 22 Prozent der Jugendlichen, die bereits mit E-Zigaretten Erfahrungen gemacht hatten, in der Folge auch Tabakzigaretten rauchten – bei ihren nie-rauchenden Altersgenossen waren es nur 10 Prozent (7).


Quellen: 

(1) Kuntz B, Zeiher J, Starker A, et al. Rauchen in der Schwangerschaft – Querschnittsergebnisse aus KIGGS Welle 2 und Trends. J Health Monitor 2018; 3:47-54
(2) Kapaya M, D’Angelo DV, Tong VT, et al. Use of Electronic Vapor Products Before, During, and After Pregnancy Among Women with a Recent Live Birth — Oklahoma and Texas, 2015. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2019; 68:189–194 
(3) Deutsches Krebsforschungszentrum. Gesundheitsrisiko Nikotin. Fakten zum Rauchen. Heidelberg: DKFZ; 2015.
(4) Brożek GM , Jankowski M& Zejda JA. Acute respiratory responses to the use of e-cigarette: an in-tervention study, Scientific Reports 2019; 9:6844
(5) Schober W, Fembacher L, Frenzen A, Fromme H. Passive exposure to pollutants from conventional cigarettes and new electronic smoking devices (IQOS, e-cigarette) in passenger cars. Int J Hygiene Environ Health 2019; 222: 486–493
(6) Camenga D, Gutierrez KM, Kong G, et al. E-cigarette advertising exposure in e-cigarette naïve ado-lescents and subsequent e-cigarette use: A longitudinal cohort study. Addict Behav 2018; 81:78-83 
(7) Morgenstern M, Nies A, Goecke M, Hanewinkel R. E-Zigaretten und Einstieg in den Konsum kon-ventioneller Zigaretten – Eine Kohortenstudie bei Jugendlichen der Klasse 10. Dtsch Arztebl Int 2018; 115:243-248.

Sonntag, 26. Mai 2019

Stillförderung lässt weltweit mehr Kinder überleben und bringt bares Geld

Mehr gestillte Kinder könnten die Gesundheitssysteme weltweit um riesige Beträge entlasten. Ökonomische Analysen haben den Einfluss des Stillens auf vermeidbare Todesfälle und Erkrankungen untersucht. Insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern ist jeder US-Dollar, der in Stillförderung investiert wird, gut investiertes Geld. Intensive Stillförderung würde das Ziel mehr ausschließlichen Stillens in den ersten 6 Monaten auf mindestens 50% aller Babies bis 2025 näher bringen. Das könnte die vorzeitigen Sterbefälle in Ländern mit einer hohen Kindersterblichkeit um circa 820 000 pro Jahr verringern.
Mehr gestillte Kinder könnten die Gesundheitssysteme weltweit um riesige Beträge entlasten. Das gilt sowohl in den sogenannten Industrienationen, wie auch in Schwellen- und Entwicklungsländern. Immer häufiger wurden zuletzt ökonomische Analysen im Kontext des Stillens durchgeführt um den Einfluss des Stillens auf vermeidbare Todesfälle und Erkrankungen zu untersuchen. Auch die Kosteneffektivität für das Gesundheitssystem und damit die Bedeutung für die Gesellschaft wurden erforscht .
Insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern ist jeder US-Dollar, der in Stillförderung investiert wird, gut investiertes Geld, denn er bringt einen wirtschaftlichen Ertrag von 35 US-Dollar. Und noch eine Zahl lässt aufhorchen: vergleichsweise überschaubare 4,70 Dollar für jedes Neugeborene wären erforderlich, um Stillförderung so intensiv zu betreiben, dass das von der Weltgesundheitsorganisation genannte Ziel der Steigerung des ausschließlichen Stillens in den ersten 6 Monaten auf mindestens 50% aller Babies bis 2025 erreicht werden könnte. Das könnte die vorzeitigen Sterbefälle in Ländern mit einer hohen Kindersterblichkeit um circa 820 000 pro Jahr verringern. Damit hätte das Stillen als Einzelmaßnahme den größten gesundheitsförderlichen Einfluss auf die Kindersterblichkeit in Schwellen- und Entwicklungsländern. Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler schätzt auf Basis von Modellrechnungen, dass bereits eine 10%ige Steigerung der Rate ausschließlich gestillter Kinder eine Kostenreduktion von mindestens 312 Millionen US-Dollar in den USA, 7,8 Millionen US-Dollar in Großbritannien, 30 Millionen US-Dollar in China und 1,8 Millionen US-Dollar in Brasilien zur Folge hätte. Eine Erhöhung der Stillraten auf 90% in Brasilien, China und den USA sowie auf 45% in Großbritannien würde die Behandlungskosten für häufig auftretende Kinderkrankheiten wie Lungenentzündung, Durchfall und Asthma sehr deutlich senken. Die USA würden dadurch mindestens 2,45 Milliarden US-Dollar, Großbritannien 29,5 Millionen US-Dollar, China 223,6 Millionen US-Dollar und Brasilien 6,0 Millionen US-Dollar einsparen. Für Deutschland gibt es aktuell keine entsprechenden Schätzungen. Es besteht aber Konsens darüber, dass niedrige Stillraten nicht nur ein Problem von Schwellen-und Entwicklungsländern sind. 
Auch bei uns würde das Gesundheitssystem also in vielerlei Hinsicht – die Auswirkungen auf die Krankheitskosten der Frauen sind noch nicht berücksichtigt- von mehr Stillförderung profitieren. Um einen Überblick über Strukturen, Akteure und Maßnahmen zur Stillförderung in Deutschland.zu bekommen wurde das Forschungsprojekt Becoming Breastfeeding Friendly aufgesetzt. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat das Netzwerk Gesund ins Leben und die Nationale Stillkommission beauftragt, dieses Vorhaben für Deutschland durchzuführen. Die Universität Yale begleitet den gesamten Prozess wissenschaftlich. Becoming Breastfeeding Friendly wird die aktuelle Situation der Stillförderung in Deutschland systematisch abbilden und Daten für die Stillförderung und den Stillschutz in Deutschland liefern. Ergebnisse und Empfehlungen werden am 5. Juni auf einer Fachkonferenz in Berlin vorgestellt.
Britta Klein Geschäftsstelle   Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie

Bakterien in fermentierten Lebensmitteln interagieren mit unserem Immunsystem

Milchsäurebakterien sind gut für den Körper und spielen für unsere Gesundheit eine zentrale Rolle. Warum das so ist, war bislang weitgehend unerforscht. Wissenschaftler der Universität Leipzig haben nun herausgefunden, dass Menschen und Menschenaffen auf ihren Zellen einen Rezeptor besitzen, welcher durch Signale von Bakterien aktiviert wird, die in fermentierten Lebensmitteln vorkommen. Die Studie liefert damit neue Einblicke in die evolutionäre Dynamik zwischen Mikroben und Immunsystem. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler aktuell im Forschungsmagazin Plos Genetics veröffentlicht.
Milchsäurebakterien, die Milch in Joghurt und Kohl in Sauerkraut verwandeln, haben eine gesundheitsfördernde Wirkung auf den menschlichen Organismus. Sie werden entweder mit fermentierter Nahrung aufgenommen oder besiedeln dauerhaft den Darm. Leipziger Wissenschaftler belegen nun erstmals die molekularen Mechanismen, wie Milchsäurebakterien mit unserem Körper interagieren. Zunächst untersuchten die Forscher Proteine auf der Oberfläche von Zellen, die Hydroxycarboxylsäure (HCA)-Rezeptoren genannt werden. Die meisten Säugetiere haben zwei Arten von diesem Rezeptor, nur bei Menschen und Menschenaffen gibt es einen dritten, den HCA3. „Wir haben evolutionäre, pharmakologische, immunologische und analytische Methoden kombiniert und untersucht, warum dieser Rezeptor uns während der Evolution erhalten geblieben ist“, so Studienleiterin Dr. Claudia Stäubert vom Rudolf-Schönheimer-Institut für Biochemie der Medizinischen Fakultät. Unsere menschlichen Vorfahren lebten zu einer Zeit großer Veränderungen auf der Erde, die auch ihren Lebensraum und damit das Nahrungsangebot beeinflussten. Diese führten zu einem neuen Lebensstil, der dadurch gekennzeichnet war, dass weniger frisches Obst verfügbar war und mehr herabgefallene fermentierte Früchte aufgenommen werden mussten. In diesem Szenario stellte der Rezeptor HCA3 möglicherweise einen entscheidenden Vorteil dar. „Wir haben im Zuge dieser Studie entdeckt, dass eine Substanz, die in hohen Konzentrationen in fermentierter Nahrung wie Sauerkraut vorkommt, den Rezeptor HCA3 aktiviert und so die Funktion des menschlichen Immunsystems beeinflusst“, so Stäubert. Die Wissenschaftler um Stäubert belegen mit ihrer Studie, dass nach dem Genuss von Sauerkraut Konzentrationen einer Substanz namens D-Phenylmilchsäure im Blut nachgewiesen werden können, die ausreichen, um den Rezeptor HCA3 zu stimulieren. „Unsere evolutionären und funktionellen Analysen stützen die Hypothese, dass dieser Rezeptor in Menschen und großen Menschenaffen während der Evolution als neues Signalsystem erhalten geblieben ist, um Funktionen des Immunsystems anzusprechen“, resümiert Stäubert. Die neu entdeckte Substanz D-Phenylmilchsäure teilt Immunsystem und Fettzellen über den Rezeptor mit, dass zum einen Fremdstoffe und zum anderen Energie in den Körper gelangt sind. 
„Unzählige Studien zeigen positive Effekte auf, die durch Milchsäurebakterien und fermentierte Nahrungsmittel vermittelt werden. Wir sind überzeugt davon, dass der HCA3 für einige dieser Effekte verantwortlich sein muss.“ sagt Stäubert. Kommende Forschungsarbeiten werden der Frage nachgehen, wie genau D-Phenylmilchsäure das Immunsystem und die Energiespeicherung beeinflusst, um herauszufinden ob der HCA3 auch als therapeutischer Angriffspunkt zum Beispiel zur Behandlung des Reizdarmsyndroms dienen könnte. Die Studie vom Rudolf-Schönheimer-Institut für Biochemie mit Direktor Prof. Dr. med. Torsten Schöneberg wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik des Universitätsklinikums Leipzig, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) durchgeführt.
Peggy Darius Stabsstelle Universitätskommunikation/Medienredaktion Universität Leipzig

Diese Immunzellen exprimieren den betreffenden Rezeptor. Kern und Cytoskelett sind gefärbt.
Diese Immunzellen exprimieren den betreffenden Rezeptor. Kern und Cytoskelett sind gefärbt.
Claudia Stäubert

Dienstag, 14. Mai 2019

Archaeopteryx bekommt Gesellschaft

Forscher der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (SNSB-BSPG) sowie der LMU München beschreiben einen bislang unbekannten Vogel aus dem oberen Jura – es ist erst der zweite bekannte flugfähige Vogel aus dieser Periode überhaupt, neben dem berühmten Archaeopteryx.
Der Thron des Archaeopteryx wackelt. Seit im Jahr 1861 das erste Fossil des Urvogels gefunden wurde, gilt er als einziger Vogel aus der erdgeschichtlichen Periode des Jura. Er belegt als Übergangsform zwischen Reptilien und Vögeln, dass die heutigen Vögel direkte Nachfahren von Raubdinosauriern sind. Alle bislang von ihm gefundenen Exemplare stammen aus dem Gebiet des Solnhofer Archipels, das sich im Jura im Bereich des heutigen Altmühltals erstreckte, in der Gegend zwischen Pappenheim und Regensburg. Hier lebte Archaeopteryx vor etwa 150 Millionen Jahren in einer Riff-Insel-Landschaft. Nun hat ein Team um Prof. Oliver Rauhut einen bislang unbekannten Vogel aus der Gegend taxonomisch beschrieben, es ist der zweite bekannte flugfähige Vogel aus dieser Periode überhaupt: Alcmonavis poeschli. „Das weist darauf hin, dass die Diversität der Vogelwelt im oberen Jura größer war als bislang bekannt“, sagt Rauhut, Paläontologe am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU sowie an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie. 

Von Alcmonavis poeschli wurde nur ein Flügel entdeckt. „Wir hatten erst angenommen, dass auch dieses Exemplar ein Archaeopteryx ist, und haben es uns bei der Untersuchung nicht leicht gemacht. Es sind Ähnlichkeiten da, aber seine fossilen Reste lassen vermuten, dass es sich um einen etwas höher entwickelten Vogel handelt“. Wie die taxonomische Studie, die aktuell im Fachmagazin eLife veröffentlicht ist, zeigt, war Alcmonavis poeschli nicht nur etwas größer als Archaeopteryx. Er konnte offenbar auch besser fliegen: „Muskelansatzstellen am Flügel deuten auf ein verbessertes Flugvermögen hin“, sagt Rauhut. Alcmonavis poeschli weist mehrere Merkmale auf, die Archaeopteryx nicht hat, stammesgeschichtlich jüngere Vögel aber schon. Diese deuten auf eine bessere Anpassung an den aktiven Flatterflug hin. 

Damit bringt Alcmonavis poeschli neuen Schwung in die Debatte, ob der Vogelflug über den Gleitflug entstanden ist. „Seine Anpassungen zeigen, dass die Evolution des Fluges relativ schnell vorangeschritten sein muss“, sagt Dr. Christian Foth von der Université de Fribourg (Schweiz), einer der Koautoren der Studie.

Seinen Namen verdankt der nun erstmals beschriebene Vogel dem alten keltsichen Namen der Altmühl, Alcmona, und seinem Entdecker Roland Pöschl, der die Ausgrabungen im Steinbruch am Schaudiberg bei Mörnsheim leitet. In denselben Plattenkalkablagerungen wurde auch ein weiteres Fossil eines Archaeopteryx entdeckt. Die beiden Urvögel haben also offenbar parallel in der damals subtropischen Lagunenlandschaft Süddeutschlands gelebt.
Dr. Eva-Maria Natzer Öffentlichkeitsarbeit                                                         
Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns
Die Abbildung zeigt einen Flügel von Alcmonavis poeschli, wie er in den Plattenkalkablagerungen gefunden wurde. Alcmonavis poeschli ist der zweite bekannte flugfähige Vogel aus der Periode des Jura.
O. Rauhut, SNSB/LMU

Agrarökologen der Universität Göttingen plädieren für integrative Naturschutzkonzepte

In Naturschutz und Landwirtschaft gibt es zwei gegensätzliche Konzepte, wie eine hohe Artenvielfalt und eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion zu verbinden sei: Naturschutz soll in Produktionslandschaften integriert oder in Form von reinen Schutzgebieten segregiert werden, um auf den Produktionsflächen maximale Erträge zu ermöglichen. Forscherinnen und Forscher der Universität Göttingen plädieren für integrative Lösungsansätze, die Naturschutz und landwirtschaftliche Produktion in nachhaltig bewirtschafteten Agrarlandschaften vereinbaren. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift People and Nature erschienen.
„Viele Forscher argumentieren, dass die landwirtschaftliche Produktion auf den bestehenden Flächen intensiviert werden solle, um die Erträge zu steigern und gleichzeitig den landwirtschaftlichen Druck auf die letzte Wildnis zu verringern. Dieser Ansatz wird vor allem in tropischen Ländern verfolgt“, erläutert Dr. Ingo Grass aus der Abteilung Agrarökologie an der Universität Göttingen und Erstautor der Studie. „Allerdings sind Biodiversität und Landwirtschaft oft eng miteinander verflochten und viele Arten sind auch für den Landwirt von Nutzen. In den Kulturlandschaften Europas sind viele schützenwerte Arten an extensiv bewirtschaftete Lebensräume angepasst. Diese Arten sind durch die zunehmende landwirtschaftliche Intensivierung bedroht“, ergänzt Prof. Dr. Teja Tscharntke, Leiter der Abteilung. 

In ihrer interdisziplinären Studie argumentieren die Forschenden für eine stärkere Integration dieser beiden kontrastierenden Konzepte. „Moderne und nachhaltige Agrarlandschaften erfordern sowohl landsparende und ertragreiche Produktionsgebiete, unberührte Lebensräume als auch extensiv bewirtschaftete Flächen. Diese Kombination ermöglicht nicht nur die höchste Artenvielfalt, sondern fördert auch Ökosystemdienstleistungen wie die Bestäubung und biologische Schädlingsregulierung durch Insekten und Feldvögel. Diese sind für eine nachhaltige Agrarproduktion essenziell“, so Grass. Die verschiedenen Landschaftselemente und Lebensräume sollten dabei durch Hecken und Korridore verbunden sein, so die Autorinnen und Autoren, um ein Maximum an Artenvielfalt und Ökosystemdienstleistungen zu schaffen.

Thomas Richter Öffentlichkeitsarbeit
Georg-August-Universität Göttingen                                                                            
Eine strukturreiche Agrarlandschaft (Rumänien) kann die Artenvielfalt fördern.
Eine strukturreiche Agrarlandschaft (Rumänien) kann die Artenvielfalt fördern.                                                 Foto: Laura Sutcliffe

Sonntag, 12. Mai 2019

Monsanto in Frankreich wegen Gesinnungsregister unter Druck

Paris - In Frankreich gerät Monsanto wegen der Erhebung personenbezogener Daten von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie zahlreicher Journalisten unter Druck.
Wie die Tageszeitung „Le Monde“ am vergangenen Donnerstag (9.5.) berichtete, wurden mehreren Medien Dateien zugespielt, die Register mit Informationen zu mehr als 200 Personen enthalten und die von Unternehmen, die Monsanto mit der Kommunikation zu Glyphosat betraut hatte, im Jahr 2016 erstellt wurden. Fast die Hälfte der Einträge betreffe Journalisten; außerdem seien Politiker, Beamte, Wissenschaftler sowie Vertreter von Berufsverbänden und Nichtregierungsorganisationen (NGO) aufgeführt.

Laut „Le Monde“ sind neben den Namen eine Vielzahl von Informationen gespeichert, darunter auch die Position der Personen zu Glyphosat und anderen landwirtschaftlichen Themen. Zudem werde Bezug auf Maßnahmen genommen, die in Verbindung mit der damals anstehendenWiederzulassung des umstrittenen Herbizids stünden.

Nach Angaben der Zeitung „Le Parisien“ wurden die Betroffenen in Gegner und Unterstützer eingeteilt; auch vorrangige Ziele und „Schlüsselakteure“ seien ausgewiesen worden.

Die damalige französische Umweltministerin Ségolène Royal sei ebenso wie ihre Amtskollegin aus dem Gesundheitsressort, Marisol Touraine , als Glyphosatgegnerin eingestuft und die Zielsetzung ausgegeben worden, „ihre Stimmen zu isolieren“.

Die Datensammlung wird auch ein juristisches Nachspiel haben. Ein betroffener Journalist von „Le Monde“ hat bei der Pariser Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Unbekannt erstattet; auch die ebenfalls betroffene Umweltorganisation Générations Futures kündigte an, Maßnahmen zu prüfen.

Nationale Datenschutzbehörde eingeschaltet

Nach Angaben der Zeitung verstößt eine derartige Sammlung und Verarbeitung personenbezogener Daten gegen geltendes Recht, auch weil ohne Zustimmung der Betroffenen Informationen zu den politischen und lebensanschaulichen Einstellungen gesammelt worden seien. Die Archivierung in englischer Sprache lege zudem nahe, dass die Daten auch international weitergegeben worden seien.

Der Anwalt von „Le Monde“, François Saint-Pierre, erklärte, es könne nicht akzeptiert werden, dass ein multinationales Unternehmen Journalisten anhand der von diesen durchgeführten Recherchen klassifiziere. Dies sei illegal und selbst den Polizeibehörden nicht gestattet.

Medienberichten zufolge wird sich auch die nationale Datenschutzbehörde (CNIL) mit dem Fall befassen. Bayer erklärte derweil, keine Kenntnis von den Vorgängen bei Monsanto zu haben, zumal es sich 2016 noch um zwei unabhängige Unternehmen gehandelt habe.


Quelle: dpa

Schweizer kaufen qualitativ hochwertigeres Fleisch als Deutsche

Bern - Die Schweizer Konsumenten greifen tendenziell eher zu qualitativ hochwertigem Fleisch als Verbraucher in Deutschland und geben insgesamt mehr Geld für ihren Fleischkonsum aus.
Nach Angaben des Schweizer Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) hat eine Marktanalyse ergeben, dass die Bürger der Eidgenossenschaft mit 52,1 kg pro Kopf im Jahr 2018 zwar gut 13 % weniger Fleisch als ihre Nachbarn in der Bundesrepublik verzehrt haben; dennoch waren ihre Ausgaben doppelt so hoch. Das liegt laut BLW auch an den Preisen, die in der Schweiz um ein Drittel bis 50 % höher ausfallen als in der Bundesrepublik.

Die geringste Differenz war noch bei Puten- und Truthahnbrust festzustellen, was das BLW damit begründet, dass die beiden Produkte einen hohen Absatzanteil von preisgünstigen Importprodukten im Schweizer Einzelhandel haben. Auffällig sei zudem, dass die relative Preisdifferenz bei weniger edlen Frischeprodukten wie Ragout oder Hackfleisch deutlich geringer ausfalle als bei Edelstücken wie Filet, Steak oder Schnitzel.

Neben den Kosten spielen offenbar die Konsumgewohnheiten für das Ungleichgewicht der Ausgaben eine wesentliche Rolle. So greifen die Schweizer laut Erhebung am häufigsten zu Rinderhack, auf das ein Anteil von 24,8 % am durchschnittlichen Einkaufswarenkorb mit Frischeprodukten entfällt; dahinter folgen Schweineschnitzel mit 19,9 %, Putenbrust mit 14,0 % und Rindersteak mit 13,2 %. Bei den Deutschen sehen die Analysten das Schweineschnitzel mit 17,9 % vorn, gefolgt von gemischtem Hackfleisch mit 17,7 %, Putenbrust mit 17,1 % und mit einigem Abstand erst Rinderhack mit 8,1 %.

Der Griff der Schweizer zu „edleren Produkten“ lässt laut Bundesamt darauf schließen, dass die spezifischen Konsumbedürfnisse die Ausgaben für Fleischprodukte im internationalen Vergleich zusätzlich erhöhen.

Bei Warenkorbvergleichen insbesondere auf internationaler Ebene müsse darum das Einkaufsverhalten der Haushalte als Indikator zukünftig stärker berücksichtigt werden. Bei der Analyse wurden ausschließlich Frischfleisch-Produkte ohne Bio-Siegel berücksichtigt.


Quelle: dpa

Donnerstag, 9. Mai 2019

„Der Lebensmittelverband profiliert sich bisher als Verhinderer gesunder Ernährung“

Zur Ankündigung des Herstellers Iglo, den Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft BLL (Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V.) zu verlassen, kommentiert Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG):
„Wir begrüßen die Entscheidung von Iglo, nicht länger einen Verband zu unterstützen, der die Zeichen der Zeit in Sachen gesunde Ernährung verschlafen hat. Der BLL profiliert sich bislang als Verhinderer vieler wissenschaftlich empfohlener Maßnahmen zur Eindämmung von Übergewicht. Dies wurde zuletzt deutlich bei der Diskussion um den Nutri-Score, der ebenfalls nicht vom BLL unterstützt wird, obwohl bereits fünf deutsche Hersteller, darunter Iglo, das Kennzeichnungssystem eingeführt haben oder dies planen. Iglo zeigt, dass es auch anders geht und die Lebensmittelindustrie Teil der Lösung sein kann und will. Für den BLL muss dies ein Weckruf sein, seine Blockadehaltung in Sachen gesunder Ernährung aufzugeben. Ein konkreter Schritt wäre die Unterstützung des Nutri-Scores als europäische Lösung einer verständlichen Lebensmittelkennzeichnung.“
Kerstin Ullrich Pressestelle
Deutsche Diabetes Gesellschaft

Das große Pflanzensterben trifft uns alle: öffentliche Diskussion zum Artensterben greift zu kurz

Dem am Montag vorgelegten Bericht des Weltbiodiversitätsrats zufolge sind eine Million Pflanzen- und Tierarten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vom Aussterben bedroht. „Doch die aktuelle mediale, politische und öffentliche Diskussion zum Thema Artensterben greift zu kurz!“ gibt Thomas Borsch, Biologe und Direktor des Botanischen Gartens und Botanischen Museums Berlin der Freien Universität zu bedenken und fordert eine weiterreichende Diskussion zum Artensterben.
„Es geht nicht nur darum, dass eine Millionen Arten komplett von unserem Planeten verschwinden werden. Zugleich erfahren die übrigen Arten massive Verluste ihrer genetischen Vielfalt. Diese ist aber der Garant für ein Überleben der Art – und somit ist das Artensterben noch viel dramatischer, als bislang diskutiert.“ so Thomas Borsch weiter. 
„Alarmierend ist: Auch früher häufigen Pflanzenarten geht es massiv an den Kragen“, weiß Thomas Borsch aus eigener Forschungsarbeit. „Die Intensivierung der Landnutzung aber auch das Ausräumen der Landschaft gerade in den letzten 20 Jahren hat zu einem flächenhaften Verlust vieler Pflanzen und anderer Organismen geführt.“, sagt Thomas Borsch weiter. Ein sichtbares Beispiel ist die als Heilpflanze bekannte Arnika (Arnica montana), die heute nur noch in den Alpen häufig – aber in den Mittelgebirgen selten und im Norddeutschen Tiefland bereits fast ausgestorben ist. Die Forschungsarbeit des Botanischen Gartens Berlin deckte unlängst die dramatische genetische Verarmung der Arnika in Deutschland auf. 

„Es reicht nicht eine Pflanzenart nur dem Namen nach in Deutschland in einem Schutzgebiet oder Botanischen Garten zu erhalten. Die genetische Vielfalt ist wichtig, um der Art wirklich eine Chance zum Überleben zu geben.“, fordert Thomas Borsch. Denn die genetischen Unterschiede innerhalb einer Art sind natürlicherweise groß, je nachdem in welchem Naturraum die Art vorkommt. Das heißt konkret: Die Arnika, die nahe der Ostsee vorkommt ist nicht die gleiche wie in den Mittelgebirgen oder den Alpen. Grund dafür ist die natürliche Evolution, wodurch sich die Pflanzen im Wechselspiel zwischen Genen und Umwelt regional angepasst haben. Wie bedeutsam diese Unterschiede innerhalb einer Art in Zukunft werden können, begründet Thomas Borsch: „Gerade die Arnika-Pflanzen des Tieflandes kommen mit wärmeren Bedingungen gut zurecht. Aufgrund des Klimawandels könnten gerade diese Vorkommen ein großes Potential für das Überleben der Art haben: die genetische Vielfalt hilft zum Überleben.“

„Das große Pflanzensterben betrifft uns alle. Denn ohne pflanzliche Vielfalt gibt es kein Überleben!“, unterstreicht Thomas Borsch die Bedeutung von Pflanzen als Grundlage der Natur. Pflanzen spielen eine besondere Rolle in Lebensräumen, denn sie produzieren die Biomasse, von der viele andere Organismen abhängen. Das gilt nicht nur für Insekten, sondern auch für unsere Spezies Mensch – Pflanzen sind die Grundlage unserer Ernährung, sie sind unersetzlich als Rohstoffe, in der Medizin und durch ihre Rolle im Naturhaushalt. 

„Der aktuelle Trend, eine wahllos zusammengestellte Tüte mit Pflanzensamen als Beigabe zu Konsumgütern zu legen, um etwas gegen das Insektensterben zu tun, ist wenig hilfreich!“, kritisiert Thomas Borsch. Dies zeigt zwar, dass die Thematik in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Aber es suggeriert vor allem, dass es eine schnelle Lösung zu einem komplexen Problem gibt. Doch die Beruhigung des Gewissens hilft nicht weiter. „Nötig ist ein ganzheitlicher Ansatz und Wissen über Pflanzen und deren Beziehungen zu anderen Organismen, um lokal und regional gute Maßnahmen umsetzen zu können. Wirklicher Insektenschutz muss vor allem heißen, die natürlichen Lebensräume von Insekten zu schützen oder auch wieder herzustellen. Und dabei spielt die für die Insekten wichtige Pflanzenvielfalt eine Schlüsselrolle, denn gerade seltene Insektenarten sind auf seltene Pflanzenarten spezialisiert.“, führt Thomas Borsch weiter aus.
Die Heilpflanze Arnika (Arnica montana) ist in Norddeutschland bereits fast ausgestorben.Die Heilpflanze Arnika (Arnica montana) ist in Norddeutschland bereits fast ausgestorben.                              Foto: V. Duwe / Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin
„Noch ist es nicht zu spät, aber wir können uns keine weiteren Verluste leisten. Und wir müssen alle aktiv werden! Denn der Motor des großen Sterbens ist der Mensch.“ fordert Thomas Borsch. Ein globales Umdenken vor allem beim Konsumverhalten, Lebensstil, Landwirtschaft und Mobilität ist der Hebel, der den Artenschwund stoppen kann. Und letztlich das Wohlergehen aller Menschen sichern. Aktuell ist das wichtigste, die artenreichen Lebensräume und Vorkommen seltener Arten schnell zu sichern, solange sie noch vorhanden sind. Das kann jedoch nur mit Hilfe entsprechender politischer Weichenstellung gelingen. 

Hintergrundinformation:


Biodiversität wird oft gleich gesetzt mit Artenvielfalt, also der Vielfalt unterschiedlicher Organismen in einem Lebensraum oder einer Landschaft. Das ist jedoch nur eine der drei Ebenen. Bedeutsam ist auch die Vielfalt aller Gene innerhalb einer Art (= genetische Vielfalt). Ebenso zählt die Vielfalt der Lebensräume zur Biodiversität. Internationale wie nationale Strategien zum Erhalt der biologischen Vielfalt thematisieren dies – beispielsweise die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt, die vom Bundeskabinett am 7. November 2007 beschlossen wurde. Sie umfassen Ansätze für einen Schutz der genetischen Vielfalt, Artenvielfalt und Lebensraumvielfalt. 

Schon 38 Prozent der Blütenpflanzenarten in Deutschland gefährdet 
In Deutschland hat sich der Anteil von 31% gefährdeter Arten von Blütenpflanzen (also Bäume, Sträucher, Kräuter, Gräser) im Jahre 1998 auf 38% im Jahre 2018 erhöht. Das belegen die Roten Listen, die vom Bundesamt für Naturschutz in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und vielen Ehrenamtlichen erstellt werden.

Die Dahlemer Saatgutbank im Botanischen Garten Berlin besteht seit 1994 und ist Deutschlands älteste Wildpflanzen-Saatgutbank. Sie sammelt Saatgut gefährdeter und seltener Wildpflanzenarten für Artenschutzprojekte, Forschung und für den Tausch zwischen Botanischen Gärten. Im Rahmen spezieller Forschungsprojekte, wie dem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt "Wildpflanzenschutz Deutschland II", werden gezielt die 200 Verantwortungsarten (also gefährdete Arten, deren Hauptverbreitungsgebiet in Deutschland liegt und für die Deutschland daher eine besondere Verantwortung hat) erforscht, gesammelt und bewahrt. In Zusammenarbeit mit Behörden und ehrenamtlichen Naturschützern werden gezielt Samen und Pflanzen gefährdeter Arten vom Wildstandort vom Botanischen Garten Berlin vermehrt und ausgebracht, um die natürlichen Vorkommen vor Ort zu stärken und zu erhalten.
Gesche Hohlstein Pressestelle Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem
Freie Universität Berlin

Drei Viertel der Flüsse weltweit durch menschliche Eingriffe in ihrem Lauf beeinträchtigt

Globale Studie unter Beteiligung der Universität Tübingen erfasst den Zustand von Flussökosystemen
Weniger als ein Viertel aller Flüsse weltweit fließt auf der gesamten Länge ungehindert durch Staudämme oder menschengemachte Regulierungen ins Meer. Unter den mehr als tausend Kilometer langen Flüssen kann nur rund ein Drittel dem von der Natur vorgegebenen Lauf folgen. Das ergab eine umfangreiche Studie eines großen internationalen Wissenschaftlerteams aus Mitgliedern der Naturschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) und von Forschungseinrichtungen. An der Studie waren maßgeblich Professorin Christiane Zarfl vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen sowie auch Klement Tockner, langjähriger Direktor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und Professor für aquatische Ökologie an der Freien Universität Berlin, beteiligt.

Das Team bezog zwölf Millionen Flusskilometer weltweit in die Studie ein. Untersucht wurde vor allem jeweils die Vernetzung des Flusses mit seinem Überschwemmungsgebiet und dem Grundwasser sowie der Stoffaustausch mit den verbundenen Biotopen – die Forscher fassen diese Eigenschaften als Konnektivität des Flusses zusammen. Diese kann als Maß gelten für den Zustand eines Flusses, der mit ihm verbundenen Ökosysteme und deren Artenvielfalt. Die Quantifizierung und Kartierung sollen außerdem als Grundlage für den Erhalt der letzten naturbelassenen Flüsse dienen und eine Priorisierung von Renaturierungsmaßnahmen unterstützen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Der Tagliamento in Friaul, Oberitalien, ist einer der letzten Wildflüsse Europas.
Der Tagliamento in Friaul, Oberitalien, ist einer der letzten Wildflüsse Europas.                                                Foto: Christiane Zarfl

Ökosysteme mit großer Artenvielfalt


Frei fließende Flüsse lassen global die Ökosysteme mit der größten Artenvielfalt und Dynamik ent-stehen, vergleichbar tropischen Regenwäldern und Korallenriffen. Zugleich bieten Flüsse zum Bei-spiel für die Süßwassernutzung, Bewässerung in der Landwirtschaft, durch Fischfang und Energie-gewinnung aus Wasserkraft wichtige Lebensgrundlagen für viele Millionen von Menschen. So zählte das Wissenschaftlerteam in der neuen Studie allein rund 2,8 Millionen Dämme, hinter denen Reser-voire von mindestens tausend Quadratmetern Wasserfläche entstanden sind, auf den zwölf Millionen untersuchten Flusskilometern. „Das führt zur Fragmentierung des Flusslaufs und hat teilweise schwerwiegende Auswirkungen auf das ganze Flusssystem“, sagt Christiane Zarfl. Durch die Weiterentwicklung der Infrastruktur für eine steigende Zahl von Menschen seien Flüsse und ihre Ökosysteme weltweit zunehmend bedroht.

Konnektivität als Maß

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelten in ihrer Studie eine neue Methode, um den Zustand eines Flusses zu beurteilen. Zentrales Maß ist dabei die Konnektivität eines Flusses mit Bewertungen zum freien Wasserfluss, zu den Bewegungsmöglichkeiten von Organismen sowie zum Transport von Sedimenten, organischen Stoffen, Nährstoffen und Energie. In die umfassende Untersuchung gingen vier Dimensionen ein: in Fließrichtung, flussauf- und abwärts im Flussbett; über die Flussufer hinaus, zwischen dem Hauptbett des Flusses und der Aue; in vertikaler Richtung zwischen dem Grundwasser, dem Fluss und der Atmosphäre sowie in zeitlicher Abhängigkeit bedingt durch die Jahreszeiten. Darüber beurteilte das Wissenschaftlerteam, welche Flüsse noch als frei fließend betrachtet werden können. „Heute sind sie weitgehend auf abgelegene Regionen wie die Arktis, das Amazonasbecken und das Kongobecken beschränkt“, sagt Christiane Zarfl. „In dicht bevölkerten Erdregionen wie Nordamerika, Europa und Südasien sind nur noch wenige sehr lange Flüsse frei fließend, allen voran der Irrawaddy und der Saluen.“
Amazonasgebiet Brasiliens: Gefluteter Auenregenwald am unregulierten Fluss Paranà do Mamori
Amazonasgebiet Brasiliens: Gefluteter Auenregenwald am unregulierten Fluss Paranà do Mamori                  Foto: Christiane Zarfl
2015 verabschiedeten zahlreiche Nationen beim UNO-Nachhaltigkeitsgipfel in New York Nachhaltigkeitsziele, die auch den Schutz beziehungsweise die Wiederherstellung wassergebundener Ökosysteme vorsehen. Dennoch seien zurzeit mehr als 3.700 neue und große Dämme zur Wasserkraftnutzung in Planung, sagt die Wissenschaftlerin, zum Beispiel in den Balkanstaaten, im Amazonasgebiet, vor allem aber in Asien, in China und im Himalaja. Außerdem seien etwa in Indien, China und Brasilien große Bewässerungsvorhaben geplant oder bereits im Bau, die das Ausbaggern von Flüssen, ihre Kanalisierung oder den Bau von Talsperren oder Dämmen erfordern. „Wir haben nun erstmals ein umfassendes Informationssystem mit hoher Auflösung zu den Flüssen der Erde angelegt. Es soll auch dazu dienen, die Zusammenhänge und Abhängigkeiten der Ökosysteme und die Folgen künftiger Eingriffe deutlich zu machen“, erklärt Christiane Zarfl. Übergeordnetes Ziel sei die Erhaltung der letzten frei fließenden Flüsse der Erde.
Dr. Karl Guido Rijkhoek Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

Mittwoch, 8. Mai 2019

Brot-Geschäft in Deutschland: Kampf um die Kruste

Discounter und Supermärkte sind für die Bäcker die größte Konkurrenz geworden. Es geht um Existenzfragen - und um die einzigartige deutsche Brotvielfalt, die die Unesco in Deutschland sogar als immaterielles Kulturerbe führt. Die Branche hat einen «Tag des Brotes» ausgerufen, mit dem sie ihr traditionsreiches Produkt am Dienstag feierte.

Die Bäcker geben sich zuversichtlich: «Die Brotkultur erfährt sein Revival, und die Anzahl der Brotliebhaber wächst», heißt es in der Branche. Bei vielen Kunden aber kommt die Vielfalt nicht an.


Rund 42 Kilogramm Brot tischte jeder deutsche Haushalt 2018 auf, diesen Durchschnitt hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelt. Die Menge sinkt seit Jahrzehnten. Das liegt daran, dass die Haushalte kleiner werden, aber auch an geänderten Gewohnheiten, wie der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks erklärt. Müsli zum Frühstück und abends was Warmes - das geht auch ohne Brot.


Gleichzeitig wächst die Vielfalt. «In Deutschland gibt es über 3.200 Brotspezialitäten und es werden kontinuierlich mehr - eine Vielfalt, die kein anderes Land toppen kann», werben die Bäcker. Wie geht das zusammen?


Die Käufergruppen fallen auseinander. «Die eine Zielgruppe setzt meist auf das klassische Brot oder auch belegte Brote, die andere sucht gezielt nach Brotspezialitäten mit ausgewählten oder ausgefallenen Zutaten», erklärt der Verband.


So kann es vorkommen, dass in angesagten Quartieren der Großstädte wie Berlin-Prenzlauer Berg oder Köln-Ehrenfeld Leute bis auf die Straße Schlange stehen für Brot. Vor jungen Bäckereien, die traditionell arbeiten. Wo der Teig noch stundenlang gehen darf. Ohne Chemie und natürlich bio. Dort erlebt das Brot eine Renaissance. Das Bäckerhandwerk bildet inzwischen sogar Brot-Sommeliers aus, als Botschafter für deutsche Brot-Kultur.


Doch auf dem Land geben immer mehr Bäcker auf. In der Handwerksrolle stehen noch rund 11.000 Bäckereien, gut 4.000 weniger als 2008. Immer mehr Kunden bedienen sich an den ein, zwei Handvoll Brotsorten in den Drahtkäfigen der Discounter.


«Der größte Konkurrent ist heute, vor allem aufgrund seiner extremen Preispolitik, der Lebensmitteleinzelhandel mit unterschiedlichen Konzepten von Aufbackstationen», betont der Zentralverband. Wieviel Brot sie verkaufen, darüber schweigen die Discount-Riesen Aldi und Lidl. Die Kunden nähmen das Angebot sehr gut an, lässt Lidl nur wissen. Nach GfK-Daten kaufen die Bürger inzwischen jedes dritte Brot im Discounter oder Supermarkt.


Dazu trägt bei, dass immer mehr Menschen arbeiten gehen und weniger Zeit haben, nach dem Supermarkt noch zum Bäcker zu laufen. Das nutzt den Großbäckereien, die die Märkte beliefern. Ein Drittel der Backfirmen macht schon mehr als 90 Prozent des Branchenumsatzes.


Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten beobachtet schon eine Weile «ein zunehmend hybrides Kaufverhalten». Will sagen: Wer heute beim Spezialitätenbäcker 100 Gramm Vollkornbrot für 1,30 Euro kauft, holt sich vielleicht morgen für das gleiche Geld beim Discounter ein ganzes Kilo Weizenmischbrot. Der Verband der Großbäckereien spricht vom «homo difusus».


Auf der einen Seite achten Käufer auf mehr Geschmack und Gesundheit, Frische und Bio. «Handwerksbäcker fokussieren sich immer öfter auf ein ausgewähltes, persönliches Kernsortiment», heißt es beim Branchenverband.


«Durch neue beziehungsweise wiederentdeckte Getreidesorten wie Emmer, Einkorn oder auch Dinkel und Zugabe von Früchten oder Gewürzen haben sich viele weitere Variationen gebildet.» Auch Chia und Quinoa sind im Brotregal keine Exoten mehr.


Doch rund 40 Prozent der Kunden interessieren sich weder für Gesundheit noch neue Trends, wie eine Umfrage der Uni Göttingen und der Marketingberatung Zühlsdorf ergab. Darunter sind vor allem Männer sowie Menschen, denen mitunter das Kleingeld fehlt, sich den besonderen Geschmack zu leisten.


Quelle: dpa


Donnerstag, 2. Mai 2019

Enthüllt: Ranger im Zentrum des WWF-Skandals erhalten Prämien für Festnahmen

02.Mai 2019


Recherchen von Survival International zeigen, dass Wildhüter, die vom WWF unterstützt werden, Prämien für Festnahmen erhalten.
Das Bonussystem gibt den Einheiten einen klaren Anreiz, möglichst viele Personen zu verhaften. Lokale Anwohner*innen haben bereits häufig über willkürliche Verhaftungen und andere Misshandlungen von Rangern in der Region geklagt.
Erst gestern hatte eine Analyse kritisiert, dass Menschenrechte in der Arbeit des WWF-Deutschland nur „unzureichend integriert“ seien.
Die Finanzierungsvereinbarung zwischen dem WWF und der EU sieht Boni für Ranger vor, die Personen verhaften. © Survival
Die Zahlungen sind in der Finanzierungsvereinbarung mit der Europäischen Union für die Schaffung des hoch umstrittenen Schutzgebiets Messok Dja in der Republik Kongo geregelt. Darin ist auch festgelegt, dass Informanten Prämien für Informationen gezahlt werden, die zu einer Verhaftung führen.
Der Direktor von Survival International, Stephen Corry, sagte heute: „Das System des WWFbedeutet, dass Wildhüter für jede Person, die sie festnehmen, mehr Geld bekommen – von den Steuerzahlern in der EU. Stellen Sie sich den Aufschrei vor, wenn das für Strafverfolgungsbeamte in Europa gelten würde! Es geht hier nicht um den Verkauf von Autos: Polizeiarbeit sollte nicht auf ‚Provisionsbasis‘ betrieben werden.“
„Jeder, der sich damit beschäftigt hat, weiß, das die Baka und andere Einheimische seit Jahren sagen, dass sie ständig verhaftet werden – und häufig verprügelt, gefoltert und schlimmeres. Jetzt wissen wir, dass es sogar einen Anreiz für die Ranger gibt, sie zu misshandeln. Es versteht sich von selbst, dass die echten Wilderer, gemeinsam mit korrupten Wildhütern und Offiziellen, ungeschoren davonkommen – wie immer."
Der WWF – mit Unterstützung des WWF-Deutschland – treibt das Messok Dja-Projekt voran, obwohl lokale Baka-Indigene, deren Land dafür genutzt werden soll, es entschieden ablehnen. Nach internationalem Recht dürfen solche Projekte nicht durchgeführt werden, wenn die lokale Bevölkerung nicht bereits ihre Zustimmung zu dem Vorschlag gegeben hat.
Ein Baka-Mann sagte gegenüber Survival International: „Für uns ist das wie ein Krieg. Unser Wald ist jetzt für uns verschlossen. Die Ranger töten Menschen für Geld, so erhöhen sie ihr Gehalt.“
Eine investigative Recherche des Nachrichtenseite Buzzfeed hatte kürzlich ergeben, dass der WWF „mit paramilitärischen Kräften zusammenarbeitet, die beschuldigt wurden, viele Menschen geschlagen, gefoltert, sexuell angegriffen und ermordet zu haben, sowie diese zu finanzieren und auszurüsten.“
Buzzfeed veröffentlichte auch interne Dokumente, die zeigen, dass der WWF seit Jahren weiß, dass die Ranger schwerer Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden, diese aber weiterhin finanzierte.
Untersuchungen zur Arbeit des WWF finden derzeit in den USA, Großbritannien und Deutschland statt. Gestern hatte der WWF-Deutschland im Rahmen der Buzzfeed-Vorwürfe eine Analyse veröffentlicht, die kritisierte, „dass Menschenrechtsaspekte wenig Beachtung“ zu finden scheinen. Obwohl die Analyse vom WWF bezahlt wurde und sich im Wesentlichen auf Informationen stützte, die der WWF selbst bereitstellte, werfen die Ergebnisse ein schlechtes Licht auf die Einhaltung von Menschenrechtsstandards durch den WWF.
SURVIVAL INTERNATIONAL PRESSEMELDUNG

EbM-Netzwerk fordert differenzierte Bewertung von Impfungen und evidenzbasierte Entscheidungshilfen


02.05.2019 
Die zunehmende Forderung nach einer Impfpflicht in Deutschland, zuletzt am 20. April 2019 durch Ärztekammerpräsident Montgomery, ist Anlass für das EbM-Netzwerk, das Thema aus der Perspektive der Evidenzbasierten Medizin (EbM) einzuordnen. Das EbM-Netzwerk fordert eine differenzierte Bewertung von Impfungen und evidenzbasierte Entscheidungshilfen.
Es gibt Impfungen, deren Nutzen unbestritten ist, die Kinderlähmung- und Pockenimpfungen zählen dazu. Daneben gibt es Impfungen mit unklarem Nutzen. Etwa gegen seltene Erreger von Hirnhautentzündung (Meningokokken). Auch wurden – u. a. durch die WHO – sehr umstrittene Impfungen, wie gegen die Schweinegrippe, empfohlen.

Die Impfpläne sind im Ländervergleich sehr unterschiedlich. So wird beispielsweise in der Schweiz die Windpocken-Impfung nur für 11-15-Jährige empfohlen. Für viele Impfempfehlungen bleiben offene Fragen, die erst durch langfristige Beobachtungen und gute Studien geklärt werden können. Unerwünschte Nebenwirkungen von Impfungen sollten ebenfalls differenziert analysiert und bestehende Unsicherheiten offengelegt werden.

Bei spezifischen Impfverfahren sind im Gegensatz zu anderen Eingriffen an gesunden Menschen, wie etwa den Früherkennungsmaßnahmen, auch die Auswirkungen auf das Erkrankungsrisiko anderer Menschen zu berücksichtigen. Gemeinschaftsschutz ist daher ein relevanter Faktor bei der Bewertung von Impfstoffen.

Das Patientenrechtegesetz sichert den Bürgern Aufklärung und informiertes Entscheiden zu. Eine ausnahmslose Impfpflicht steht den legitimierten Ansprüchen der Bevölkerung auf informierte Entscheidungen entgegen.

Das EbM-Netzwerk fordert daher die Bereitstellung von Entscheidungshilfen, die als Grundlage für informierte Entscheidungen eingesetzt werden können. Wir empfehlen differenziert zu jeder einzelnen Impfung aufzuklären. Dies schließt die Offenlegung von Unsicherheiten und ungeklärten Fragen mit ein. Eine ehrliche Aufklärung der Ärzteschaft und der Bevölkerung könnte langfristig das Vertrauen in das Medizinsystem stärken und die Impfbereitschaft für sinnvolle Impfungen erhöhen.

Maßnahmen zu einer Verbesserung der Impfraten sind derzeit bei Weitem nicht ausgeschöpft. Von Zwangsmaßnahmen sollte in einem aufgeklärten demokratischen System Abstand genommen werden.
Quelle:  Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. (EbM-Netzwerk)

Nilpferde, die tierischen Siliziumpumpen

01.05.2019
Die Exkremente von Nilpferden spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem der afrikanischen Seen und Flüsse. Weil es immer weniger Nilpferde gibt, ist dieses Ökosystem in Gefahr. Langfristig könnte dies zum Beispiel zu Nahrungsmangel am Viktoriasee führen. Das sind einige der Ergebnisse einer neuen Studie eines internationalen Teams von Forschenden, die im Fachjournal Science Advances erschienen ist. An der Studie war auch Patrick Frings vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam beteiligt.
Wild lebende Nilpferde haben einen einzigartigen Lebensstil: Nachts fressen sie Dutzende Kilogramm frischen Grases in den Savannen. Die Tage verbringen sie zumeist gemeinsam entspannt in Flussläufen oder Seen, weit weg von Feinden und geschützt vor der brennenden Sonne. Während des Faulenzens im Wasser wird allerdings ihre Verdauung aktiv. So gelangen ganz enorme Mengen an Nilpferdgülle in die Gewässer.

„Nilpferde unterscheiden sich da von anderen Großweidern in der Savanne", erklärt der Biologe Jonas Schoelynck von der Universität Antwerpen, der Erstautor der Studie. „Die Nährstoffe in der Gülle der meisten Weidegänger landen größtenteils wieder in der Savanne, wo sie von den Pflanzen erneut aufgenommen werden. Bei Nilpferden ist dies nicht der Fall: Sie fungieren als eine Art Nährstoffpumpe vom Land in die Flüssen und Seen.“ In der nun veröffentlichten Studie zeigen die Forschenden um Schoelynck und Frings, dass diese Pumpenfunktion für das Leben im Wasser von entscheidender Bedeutung sein kann. Die Ergebnisse stammen aus einer Expedition zum knapp vierhundert Kilometer langen Mara River im Masaai Mara Nature Reserve in Kenia.

Nilpferd-Exkremente im Labor untersucht

„Das Gras, das die Nilpferde fressen, enthält Silizium“, erklärt Jonas Schoelynck. „Die Gräser nehmen dieses Silizium aus dem Grundwasser auf. Es gibt ihnen die nötige Festigkeit, schützt sie vor Krankheiten und in begrenztem Maße vor der Beweidung durch Kleintiere.“ Patrick Frings aus der Sektion Geochemie der Erdoberfläche des GFZ hat im Labor die Isotopenzusammensetzung des Siliziums in Proben von Pflanzen, Wasser und Nilpferd-Exkrementen analysiert. Diese liefert eine Art chemischen Fingerabdruck einer Stoffprobe. „Mithilfe der Isotopenanalyse konnten wir den Transportweg des Siliziums rekonstruieren“, erklärt Frings.

Die Forschenden konnten zeigen, dass das Silizium zu einem großen Teil durch (sic!) die Nilpferde in den Mara River gelangte. In dem untersuchten Gebiet im Südwesten Kenias nahmen die grasenden Tiere über die von Ihnen vertilgten Pflanzen täglich insgesamt 800 Kilogramm an Silizium auf. Davon landeten täglich 400 Kilogramm über die Ausscheidung mit dem Nilpferdkot im Wasser. Der Beitrag der Nilpferde hat durch verschiedene ökologische Mechanismen Einfluss auf über 76 Prozent des entlang des Mara River transportierten Siliziums, zeigen Berechnungen der Forschenden. Nilpferde sind demnach ein Schlüsselfaktor im biogeochemischen Silizium-Kreislauf bestimmter Gebiete.

„Unsere Ergebnisse sind völlig neuartig“, sagt Patrick Frings vom GFZ. „Bisher ging man nicht davon aus, dass weidende Wildtiere einen solchen Einfluss auf den Silizium-Transport vom Land in Seen haben könnten. Dieser Prozess ist für das gesamte Land-Wasser-Ökosystem von entscheidender Bedeutung. In der Vergangenheit wurde er aber einfach übersehen.“

Eine Welt ohne Nilpferde

Für bestimmte Organismen wie etwa Kieselalgen sei das Silizium lebensnotwendig, so die Forschenden. Diese einzelligen Algen leben im Wasser, produzieren Sauerstoff und bilden in vielen meisten Wasserökosystemen die Grundlage der Nahrungskette. Im Falle eines Siliziummangels könne die Kieselalgenpopulation zusammenbrechen, mit schädlichen Folgen für das gesamte Nahrungsnetz im betroffenen See oder Fluss.

Die Anzahl der Nilpferde in Afrika sei in den vergangenen Jahren durch Jagd und Verlust von Lebensräumen drastisch zurück und ihre Funktion als tierische Siliziumpumpen damit zum Teil verloren gegangen. Afrikaweit seien in den vergangenen Jahrzehnten bis zu neunzig Prozent der Nilpferde ausgestorben. „Der Viktoriasee, in den der Mara River mündet, kann mit seiner aktuellen Siliziumversorgung zwar noch mehrere Jahrzehnte überdauern“, sagt Jonas Schoelynck. „Aber auf lange Sicht gibt es wahrscheinlich ein Problem. Wenn die Kieselalgen nicht genügend Silizium bekommen, werden sie durch Schädlingsalgen ersetzt, die alle möglichen unangenehmen Folgen haben, wie etwa Sauerstoffmangel und ein damit verbundenes Fischsterben. Und das Fischen ist eine wichtige Nahrungsquelle für die Menschen am Viktoriasee."
Quelle:   Helmholtz-Zentrum Potsdam   Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Nilpferde, die den Tag gemeinsam in einem ruhigen Abschnitt des Mara River in Kenia verbringen.

Nilpferde, die den Tag gemeinsam in einem ruhigen Abschnitt des Mara River in Kenia verbringen.                Jonas Schoelynck