Die von Tigermücken übertragene Krankheit hat Brasilien fest im Griff –
und wird auch die ausländischen Fussballfans befallen. Eine britische
Firma möchte das Problem mit Gentech-Insekten lösen.
Die Gentech-Moskitos sind ungefährlich für Mensch und
Umwelt, so lautete Anfang April der Befund der nationalen
Biosicherheitskommission CTN Bio. Padyn Parry, CEO der britischen
Herstellerfirma Oxitec, ist «delighted». Jetzt fehlt ihm nur noch die
Zustimmung des Gesundheitsministeriums. Dann darf seine Firma die
gentechnisch veränderten Insekten in ganz Brasilien kommerziell
freisetzen.
Gentech-Kritiker sind besorgt. Doch die
Oxitec-Moskitos haben tatsächlich das Potenzial, das in Brasilien
verbreitete Denguefieber künftig stark einzudämmen. Das Land hat die
höchsten Erkrankungsraten weltweit. Im vergangenen Jahr waren 1,4
Millionen Menschen infiziert, rund 600 Todesfälle wurden gemeldet. Auch
von den ausländischen Fussballfans, die zurzeit im Land sind, dürften
nicht wenige das potenziell tödliche Denguevirus als unerwünschtes
Souvenir nach Hause bringen.
Seit Jahrzehnten versuchen
Forscher, eine Impfung oder Therapie gegen die Virenkrankheit zu
entwickeln. Gelungen ist es ihnen noch nicht. Nun soll es mit neuen
Ideen dem wichtigsten Überträger der Krankheit an den Kragen gehen: der
ägyptischen Tigermücke (Aedes aegypti). Bei der Methode von Oxitec
kommen ausschliesslich genveränderte Männchen zum Einsatz. Sie stechen
im Gegensatz zu den Weibchen nicht. Die Gene der Männchen sind so
verändert, dass nach der Paarung mit Weibchen die Nachkommen sterben.
Der
Ansatz von Oxitec ist weit fortgeschritten. Nach Tests auf den
Cayman-Inseln und in Malaysia sind die Gentech-Mücken seit 2011 in
gross angelegten Freilandexperimenten im brasilianischen Gliedstaat
Bahia im Einsatz. In einem Versuch sankt die Zahl der freilebenden
Tigermücken um 96 Prozent.
Gentechfreie Alternative
Für Oxitec
drängt allerdings die Zeit. Die Konkurrenz, die mit gentechfreien
Methoden arbeitet, ist ebenfalls weit. «Wir hoffen, dass wir ab August
mit unseren Freisetzungsversuchen starten können», sagt Rafael Freitas.
Der Forscher von der renommierten Fundação Oswaldo Cruz (Fiocruz) in Rio
de Janeiro präsentierte dort unlängst sein Projekt vor Journalisten. In
vier verschiedenen Quartieren der Stadt will das Forschungsinstitut
Tigermücken aussetzen, die mit dem Bakterium Wolbachia infiziert worden
sind. Die Methode haben australische Forscher vor einigen Jahren
entwickelt. Nach ersten Freisetzungsversuchen soll sie nun auf
städtischem Gebiet getestet werden.
Wolbachia ist in der
Insektenwelt weit verbreitet. Rund 70 Prozent aller Arten sind Träger
dieser Bakterien. Die ägyptische Tigermücke gehört jedoch nicht dazu.
«In Versuchen zeigte sich, dass die Bakterien das Wachstum des
Dengue-Virus in diesen Moskitos blockiert», sagt Freitas. Die Forscher
versuchen nun, die freilebenden Tigermücken-Populationen mit Wolbachia
zu infizieren, um die Ansteckung mit Denguefieber zu bekämpfen. Dabei
profitieren sie davon, dass Weibchen Wolbachia-Bakterien an die
Folgegeneration weitergeben. In ersten Freilandexperimenten zeigte sich:
Je nach Wolbachia-Stamm gelingt es, bis zu 100 Prozent der Mücken
innerhalb von 15 Wochen damit zu infizieren.
«Solange es
keine Impfung gibt, ist es am besten, die Moskitos zu kontrollieren»,
sagt Freitas. Mit der herkömmlichen Mückenbekämpfung stosse man jedoch
an Grenzen. Die Beseitigung von Pfützen oder anderen Wasseransammlungen,
in denen Larven sich entwickeln können, und auch der Einsatz von
Insektiziden reichten heute nicht mehr aus.
Doch werden
die Risiken insbesondere durch die Freisetzung von genmanipulierten
Mücken nicht unterschätzt? Werden dereinst mutierte Killerinsekten
Brasilien bevölkern? Ernst Wimmer von der Universität Göttingen sieht
keine Anhaltspunkte, die solche diffuse Ängste rechtfertigen würden.
«Es sind bei dieser Technik praktisch keine Risiken vorstellbar», sagt
der Entwicklungsbiologe, der selbst an der Bekämpfung von Schadinsekten
mit genetisch veränderten Tieren arbeitet. Einzig Allergien seien nicht
auszuschliessen. «Doch die negativen Auswirkungen werden in jedem Fall
geringer sein als die von Insektiziden.»
Altbekannte Technik
Ökologisch gesehen
ist eine radikale Bekämpfung von Tigermücken in Brasilien ebenfalls
kein Problem. Im Gegenteil, denn der Mensch hat die Insekten aus Afrika
auf den amerikanischen Kontinent eingeschleppt. Dennoch steht auch
Wimmer den Gentech-Mücken nicht kritiklos gegenüber: «Bei den Mücken von
Oxitec sterben nicht 100 Prozent der Nachkommen. Die werden dann
früher oder später zur Ausbildung von resistenten Stämmen beitragen»,
sagt der Biologe. Um solche Probleme zu verhindern, hätte Oxitec deshalb
besser zwei unabhängige Sterilitätsmechanismen in die Gene einfügen
sollen.
Der Einsatz von sterilisierten Insekten ist
altbekannt. Erste Freisetzungsversuche gehen auf die 30er-Jahre zurück.
Bei dieser sogenannten sterilen Insektentechnik (SIT) werden die Tiere
mittels radioaktiver Bestrahlung so verändert, dass ihre Nachkommen
sterben. «Je nach Insektenart und Region funktioniert diese Bekämpfung
gut», sagt Wimmer. Auf Sansibar sei es auf diese Weise gelungen, die
Tsetsefliege auszurotten. Der Überträger der Schlafkrankheit beim
Menschen machte auch die Tierhaltung fast unmöglich. «Dank der
Elimination konnte die Insel ihr Ernährungsproblem lösen.»
Eine
solche Ausrottung von krankheitsübertragenden Insekten gelingt in der
Regel jedoch nicht. Um die Insektenpopulation niedrig zu halten, müssen
deshalb im Wochenrhythmus sterilisierten Insekten fortwährend ausgesetzt
werden, was teuer ist. Das ist einer der Gründe, wieso Guy Reeves vom
Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie im deutschen Plön den
Wolbachia-Ansatz bevorzugt: «Sind die Tigermücken einmal mit Bakterien
infiziert, bleibt es wahrscheinlich über lange Zeit dabei, was das Ganze
viel günstiger macht», sagt er.
Reeves stört, dass es
sich bei Oxitec um ein kommerzielles Unternehmen handelt, das möglichst
schnell ans Ziel kommen wolle und dabei zu wenig transparent sei.
«Dadurch droht die Akzeptanz für die potenziell nützliche Technologie
verloren zu gehen», sagt Reeves. «Nur eine ausreichend informierte
Öffentlichkeit wird solchen Tests aufgeschlossen gegenüber stehen.»
(Quelle Basler Zeitung)
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