Mehr als 80% der internationalen Nachfrage nach Edelkakao wird aus
Ecuador gedeckt. Viele Kleinproduzenten arbeiten vornehmlich mit der
geschmacklich anspruchsvollen Kakaosorte „Cacao Nacional“ und erobern
damit den Markt. Nun soll in Deutsch-Ecuadorianischer Zusammenarbeit ein
neues Modell zur Unterstützung von Kleinproduzenten von „Cacao
Nacional“ etabliert werden. In der Provinz Los Rios ist die
Landwirtschaft der bedeutendste Wirtschaftszweig. Riesige Felder mit
Kakao, Bananen, afrikanischen Palmen, Kaffee, Reis und Zitrusfrüchten
prägen das eintönige Landschaftsbild.
Viele Tagelöhner (jornaleros) verdienen 80 US-Dollar auf den großen,
industriellen Plantagen, wenn sie von Montag bis Samstag acht Stunden
täglich arbeiten, was nur wenig über dem staatlichen Mindestlohn liegt.
Die Kleinbauern in diesem Gebiet dagegen ernähren ihre Familien durch
Selbsterzeugnisse vom eigenen Acker und u.a. auch durch den Verkauf von
Kakao. Dabei ist die genetisch modifizierte Kakaosorte CCN51
(Collection Castro Naranjal, Reihe 51) sehr beliebt, denn im Gegensatz
zu der geschmacklich besseren Sorte „Cacao Nacional“, ist sie wesentlich
ertragreicher, kann häufiger geerntet werden und hat größere
Kakaobohnen. Verkauft wird an verschiedene Zwischenhändler, die den
Preis bestimmen und keinerlei Qualitätsmaßstäbe an das Produkt setzen.
Der Kakaobaum kann daher schon mal mit Gift gespritzt sein, auf dem
Gelände türmen sich Plastikabfälle und die Kakaobohnen werden neben
einer vielbefahrenen Straße unter Abgasnebel getrocknet.
Alles Faktoren, die den Deutschen Kakaoeinkäufern von Albrecht &
Dill Trading GmbH ein Dorn im Auge sind. Sie sind daran interessiert,
der immer steigenden Nachfrage an zertifiziertem Edelkakao in Europa und
speziell in Deutschland, nachzukommen. Sie wissen, dass der Deutsche
Verbraucher ein naturreines Produkt fordert und auch dessen Ursprung
zurückverfolgen will.
Schon seit mehreren Jahren engagiert sich auch die Deutsche Gesellschaft
für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) in Ecuador in einigen Kakaoanbaugebieten.
Daher wurde zwischen der GIZ, Albrecht & Dill Trading GmbH und
dem Kakaohändler AGROXVEN ein PPP (Public Private Partnership)
entwickelt. Ziel war es u.a. eine bestimmte Anzahl an Kleinproduzenten
aus Los Rios zu überzeugen, ihre Produktion und Anbaumethoden soweit zu
verbessern, dass sie ihren Kakao auch zertifizieren könnten. Dabei
wünschte sich Albrecht & Dill die Zertifizierung durch das
international anerkannte Unternehmen UTZ Certified. Durch ein
UTZ-Programm sollen die Bauern ihre Ernte, ihr Einkommen und ihre
Perspektiven verbessern, während sie die Umwelt und die natürlichen
Ressourcen der Erde schonen.
Die GIZ arbeitet in anderen Produktionsgebieten mit organisierten
Kleinbauernverbänden, im Gegensatz dazu sollte in Los Rios ein großer,
professioneller Lieferant mit ins Boot genommen werden, der zum einen
gute Kontakte zu den Kleinbauern hat, aber auch bereit ist, eine
Anlieferstelle (centro de acopio) aufzubauen. Dort sollte der Kakao
korrekt gewogen werden und Techniker sollten den Kleinproduzenten mit
technischer Beratung und Gerätschaften zur Seite stehen. Dieser Partner
wurde mit dem einheimischen Kakaohändler AGROXVEN gefunden, der sich
u.a. auch für den erweiterten internationalen Absatzmarkt durch die
UTZ-Zertifizierung interessierte.
Anfang 2011 baute AGROXVEN eine schon vorhandene, zentral gelegene
Anlieferstelle für Kakaobohnen zunächst auf 400m² und später bis auf
1.600m² aus und begann mit der Überzeugungsarbeit bei den Bauern.
Geschäftsführer Edison Sánchez: „Ehrlich gesagt, war es ziemlich
schwierig am Anfang, die Bauern für das UTZ-Programm zu gewinnen, ihnen
das Misstrauen zu nehmen und die Vorteile der zusätzlichen Kontrolle
ihrer Arbeit schmackhaft zu machen.
“Für die Firma war es auch wichtig, die Region weiterhin mit Arbeit
zu versorgen, sowie selber feste, zuverlässige Lieferanten mit
UTZ-Zertifikat zu haben. Schließlich konnten zu Beginn 77 Bauern dazu
bewegt werden, am Programm teilzunehmen, im zweiten Jahr hat sich
bereits eine weitere Gruppe von 80 Bauern für den Zertifizierungsprozess
angemeldet. Edison Sánchez ist äußerst zufrieden mit den teilnehmenden
Kleinbauern und der Entwicklung: „Ende des Jahres werden wir mehr als
200 Bauern haben, die sich an der UTZ-Zertifizierung beteiligen, was für
diese Region auch einen enormen Aufschwung bedeutet.“
Wichtiger Beweggrund ist für viele der finanzielle Anreiz. Wer einen
Quintal (1 Quintal ≈1 Zentner ≈ ca. 50 Kilogramm) einfachen Kakao beim
lokalen Zwischenhändler verkauft, bekommt 80$. Ein Quintal reiner „Cacao
Nacional“ dagegen wird mit $90 und ein Quintal UTZ-zertifizierter
„Cacao Nacional“ schon mit $95 bezahlt.
Teil der Abmachung ist, dass Beratungsworkshops für die Kleinbauern
angeboten werden, die von AGROXVEN organisiert werden. Stalin Guerrero
ist Techniker und macht das Controlling für AGROXVEN: „Auf den
Workshops kommt auch das Thema Ertragserhöhung von „Cacao Nacional“ zur
Sprache. Schon im ersten Jahr des Programms wurde bei manchen Bauern
eine Erhöhung von durchschnittlich 25% erzielt.“ Auf diesen Seminaren
wurden auch die Punkte besprochen, die für die Erhaltung des
UTZ-Zertifikats wichtig sind, wie zum Beispiel gemäßigter und
kontrollierter Einsatz von Pestiziden und kein Abfall auf den Feldern.
„Meine Arbeit hat mit Umwelt, aber auch mit ökonomischen und sozialen
Aspekten zu tun“ sagt Guerrero. Was anfänglich für die Bauern ein schier
endloser Katalog von Bedingungen erschien, wurde dann doch innerhalb
eines Jahres erfolgreich umgesetzt. Der Bauer kann bei regelmäßiger
Bewässerung und im günstigsten Fall das ganze Jahr über ernten.
Daniel Gutero bewirtschaftet 15 ha von seinen insgesamt 35 ha mit
UTZ-zertifiziertem „Cacao Nacional“. „Ich bin absolut zufrieden mit der
UTZ-Zertifizierung“, sagt Gutero „weil ich auf meinem Acker jetzt mehr
ernten kann. Der Kakao ist mehr wert, wir haben mehr Ahnung über die
Kakaoproduktion und vorher hat sich hier keiner um das Thema chemische
Dünger gekümmert, jetzt mit den UTZ-Seminaren ist man wesentlich
umweltbewusster.“ In der Erntehochzeit kann er ca. eine Tonne im Monat
verkaufen.
Gutero bringt seine Kakaosäcke mit dem Kleintransporter in das Centro de
Acopio in Potosí. Für ihn ist auch das Vertrauen in die seriöse Arbeit
von AGROXVEN besonders wichtig: „ Ich weiß, dass mein Kakao hier korrekt
gewogen wird und wenn ich Fragen habe oder Hilfe brauche, dann kann ich
mit dem Techniker reden.“ Er selber muss die Bohnen nicht trocknen,
kann sie auch im feuchten Zustand anliefern, dann allerdings wird der
Feuchtigkeitsgehalt in einem speziellen Verfahren gemessen und vom
Gesamtgewicht abgezogen. Das Geld erhält er sofort in bar. Auf dem
Gelände des Centro de Acopio werden die feuchten Bohnen in Holzkästen
fermentiert und später in großen Trockenmaschinen unter Gasflammen
getrocknet. Später kommt er in Säcke, und die rund 250 Tonnen
zertifizierter Kakao jährlich werden nach Amsterdam oder Hamburg zu
Albrecht & Dill geschifft.
„Es gibt einen Kleinbauernverband hier in der Nähe in der Provinz
Bolivar, der mit 86 Mitgliedern auch recht stark ist. Ich selber,“ sagt
Gutero. „bin dort nie Mitglied gewesen, und freu mich, dass AGROXVEN mir
sämtliche Dienstleistungen anbietet, sogar Geräte zur Pflege der Bäume
und zur Ernte, und ich hier noch viele technische Neuigkeiten zur
Aussaat und Pflege für meine Kakaoplantage lerne.“ Diese Form der
Zusammenarbeit mit Produzenten und Lieferanten ist für die GIZ Ecuador
neu und eine sehr gute Alternative, dort wo es keine Kleinbauernverbände
gibt.
Autor: Oliver Hölcke
Journalist und bei der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) in Quito, Ecuador tätig.
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